Header Image

Exerzitien

Meine Exerzitien-Kurse

Ignatianische Exerzitien sind eine Weise, sein Leben neu zu ordnen und auszurichten auf ein begründetes, sinnvolles Lebensziel hin durch die Begegnung mit Christus Jesus.

Exerzitien werden im Englischen „Retreat“, im Französischen „Retraite“ genannt; das spanische Original lautet „ejercicios espirituales“, zu Deutsch: geistliche Übungen. Genauer spricht man von „Ignatianischen Exerzitien“, denn sie stammen von Ignatius von Loyola her, dem Gründer des Ordens der Gesellschaft Jesu (1491 – 1556). Durch ihn haben diese „geistlichen Übungen“ (der Begriff findet sich schon bei den vier Mystikerinnen von Helfta, 300 Jahre vor Martin Luther) ihre bestimmte Form erhalten, die bis heute sowohl beibehalten als auch weiterentwickelt wird. Denn Ignatius hatte als leitendes Prinzip angegeben: Das erwählen, was mehr hilft zum (guten) Ziel.

Was sind Exerzitien?

Exerzitien sind keine Ferien, keine Zeit primär zum Ausspannen, zur Erholung, zum Spazierengehen – gleichwohl dies alles als Nebeneffekt eintreten kann. Sie sind ebenso keine Zeit, um liegengebliebene Arbeiten zu erledigen, keine Zeit zum Joggen, nicht einmal dazu sind sie vorrangig da, „viel zu beten“.

Sie sind eine Zeit, mein Leben neu zu ordnen, in eine klare Ordnung zu bringen, auf ein Ziel hin auszurichten, das ich als gut und wesentlich für mich erkannt habe. Dieses mein Lebensziel neu zu erkennen, ohne das ich nicht sinnvoll und glücklich leben kann, mich auf es auszurichten, geschieht in Ignatianischen Exerzitien wesentlich durch meditative Betrachtungen, die zu intensiver und persönlicher Begegnung mit Christus Jesus führen, wie er uns in den Evangelien begegnet. Diese etwa einstündigen „Betrachtungen“ sind das Herzstück ignatianischer Exerzitien. Etwa drei sollten es jeden Tag sein, es können auch vier werden, gelegentlich mit einer ausnahmsweise zusätzlich gestatteten in der Nacht. Aber weniger als zwei Betrachtungen pro Tag bringen Seele und Denken nicht auf den Weg.

Welchen Sinn bzw. welches Ziel haben Exerzitien?

In der Begegnung mit Christus, seinem Herrn, erkennt der Exerzitant sowohl sich selbst als auch die große Güte, die Zuwendung und das Geschenk Gottes, mit dem er uns in der Natur wie in der Welt der Gnade umgibt und ausgestattet hat. Je mehr der Übende dies erkennt und erfährt, desto mehr wird er sich Gott anbieten zum Dienst, nicht aus Angst oder aus Verdienstdenken, sondern aus Freude und aus Dank – weil er schon mehr empfangen hat als er erbitten kann.

Der Exerzitant wird in ignatianischen Exerzitien von einem Exerzitienmeister begleitet. Dieser sollte ein Mensch sein (Mann oder Frau, Priester oder Laie), der selber vielfach schon Exerzitien gemacht hat, möglichst auch die „großen“ (30-tägigen) mehrmals, der die Struktur und innere Dynamik der Geistlichen Übungen gut kennt und immer neu studiert, um sie je neu auf die/auf den individuellen Teilnehmer anwenden zu können; der schließlich selber ein Mensch ist, der tagtäglich aus den Exerzitien lebt und handelt. Denn wer einmal richtig und wahrhaftig Exerzitien gegeben hat, der kann anschließend nicht mehr aus ihnen „heraustreten“ und sie hinter sich lassen: Exerzitien sind eine Weise zu leben! Mit Menschen umzugehen. In Christus zu sein.

Welchen Ablauf/welche Tagesstruktur haben Exerzitien?

Zu Ignatius‘ Zeiten bereits wurden die Geistlichen Übungen entweder als die „großen“, also über 30 Tage hinweg, gegeben, oder abgekürzt als achttägige. Die Großen Exerzitien folgen einem Zeitschema von 4 Wochen, denen das berühmte „Prinzip und Fundament“ vorangestellt ist: „Der Mensch ist dazuhin geschaffen, Gott zu loben, ihm Ehrfurcht zu erweisen und zu dienen und mittels dessen sein Leben zu retten…“ Es ist ein sehr tiefer und sinnvoller Text, allerdings in Sprache und Theologie seiner Zeit gekleidet und deswegen leicht missverständlich – als könne/müsse der Mensch mittels Verdiensten sein Leben retten, um ins Paradies zu kommen; das Gegenteil ist wahr! In Exerzitien lege ich den Satz aus, übertragen in unsere Welt und Sprache, dann wird er sehr einsichtig und klar, tiefsinnig, schön und sinngebend.

Es folgt in der sog. Ersten Woche eine Hinwendung auf mich selbst, mich zu erkennen in meinen negativen Trieben, die mich bestimmen, die Leben von mir und anderen abziehen, u.a. Es geht darum, dass der Exerzitant seine Anhänglichkeiten und Abhängigkeiten erkennt, die ihn unfrei machen. Auch dieser Prozess geschieht in täglichen Betrachtungen über das Leben Jesu und kann in das Sakrament der Versöhnung münden.

Die Zweite Woche meditiert den Ruf Christi, der Männer und Frauen sucht, die sich mit Ihm abmühen für die Welt, für die Menschen, für die Gerechtigkeit und Treue Gottes – Christus mehr zu folgen muss aus einem ruhigen, überlegten Entschluss kommen. Auch diese Woche wird geleitet von Betrachtungen aus den Evangelien und zusätzlichen dynamischen Überlegungen, die den Exerzitanten in seiner Wahl begleiten sollen.

Die Dritte Woche betrachtet vor allem die Passion Jesu, seinen Weg ins Leiden und Sterben aus Treue zum Vater und zum Menschen. In ihr sollen die vorangegangenen, gewählten Entscheidungen in ruhiger Abwägung gekräftigt werden. Die Betrachtungen in dieser Woche können sehr intensiv werden, deshalb wird der Exerzitienmeister auf den Übenden sehr Acht geben.

Die Vierte Woche schließlich folgt dem Geschehen und den Begegnungen der Auferstehung und konzentriert sich auf die „Betrachtung zur Erlangung der Liebe“. In ihr schaut der Exerzitant auf all das, was Gott, unser Herr, schon für ihn/sie getan hat (im Kosmos, in der Natur, usw.), um darin Sich Selbst ihm/ihr zu schenken – und was dann die Antwort der Liebe des Geschöpfes sein müsste.

Auch Exerzitien, die nur drei oder fünf oder sechs Tage dauern, folgen im Prinzip der Grundstruktur der „Großen“. Und immer sind die Betrachtungen das Herzstück der Exerzitien.

Meditaciones – Betrachtungen und Reflexio

Betrachtungen ignatianischer Exerzitien folgen einer inneren Struktur. Ich selber erläutere am Anfang der Exerzitien fünf Vorübungen, mit deren Hilfe der Exerzitant sich auf seine Betrachtung gut einstellen kann: Zunächst stellt sich der Betrachtende in die Gegenwart Gottes, eine sehr wichtige Vorübung, die für jedes Beten gilt; er hat dazu einen Platz ausgewählt, der ihm in der Konzentration hilft und der die ganzen Exerzitien über sein Ort der Begegnung mit seinem Schöpfer und Herrn bleiben wird. Sodann ist auf den Leib zu achten, dass er entspannt ist; gleichzeitig wird entschieden, in welcher Haltung ich die Betrachtung besser machen kann; dann folgt das Allgemeine Vorbereitungsgebet: Gott um die Gnade bitten, in allem auf Ihn hin ausgerichtet zu sein. Die vierte Vorübung stellt einen Ort, ein „Bild“ zusammen: Was ich im Text des Evangeliums gelesen habe, versuche ich mir „vor Augen zu stellen“, um in dieses Bild hineinzugehen und mehr dabei zu sein. In der fünften Vorübung schließlich formuliert der Betrachtende seine ganz persönliche Bitte für diese Betrachtung.

Die Betrachtung beginnt danach, indem der Exerzitant auf vielfache Weise schaut und wahrnimmt, was zu sehen ist, indem er in das impulsgebende Bild hineingeht und sieht, dann auch hört, fühlt und riecht, damit er die Szene mehr und mehr erfasse…, um sich anschließend zurückzunehmen und zu erwägen, was er geschaut und erfahren hat. Erfahrungen und unterscheidender, reflektierender Verstand bilden beim Mystiker Ignatius eine untrennbare Einheit, um behutsam den Willen Gottes für mich zu ertasten oder zu erfahren und mich ihm anzubieten zu größerem Dienst.

Nach jeder Betrachtung ist, laut Ignatius, eine „Reflexio“ zu halten, eine nüchterne, verstandesmäßige und kritische Rückschau auf das, was sich bisher ereignet und abgespielt hat, sowohl mehr äußerlich als auch innerlich. Ignatius hat einmal gesagt, alles könne unter Umständen bei einem Jesuiten ausfallen, die Reflexio niemals. Es gibt keinen geistlichen Fortschritt ohne diese Reflexio.

Der Inhalt der Exerzitien, ihre Struktur und zahlreiche Anmerkungen sind im Buch der „Geistlichen Übungen“ festgehalten. Jedermann kann dieses Buch kaufen. Aber es lohnt für den normalen Gläubigen nicht, es zu lesen, denn es ist vielmehr eine Anleitung und Hilfe für den Exerzitienmeister; man könnte es mit einem Kochbuch vergleichen: Der Laie versteht die Bedeutung der Anweisungen und Hinweise nicht. Er müsste die Exerzitien erst selber mehrmals bei einem guten Exerzitienmeister machen, damit das Buch ihm noch mehr Feinheiten erschließe.

Vortrags-Exerzitien und Einzel-Exerzitien

Heute sind hauptsächlich zwei Grundformen von Geistlichen Übungen im Angebot vieler Häuser, in denen Exerzitien gegeben werden: Einmal sog. Vortragsexerzitien und zum anderen Einzelexerzitien. In Vortragsexerzitien, an denen auch viele teilnehmen können, gibt der Exerzitienmeister jeden Tag etwa drei Vorträge anhand eines Textes der Heiligen Schrift, die in die Betrachtung einführen sollen. Das kann, je nach Erfordernissen, intensiver oder kürzer geschehen. Wichtiger für den Exerzitanden ist die nachfolgende Zeit seiner persönlichen Betrachtung und seines Betens, für die der Exerzitienmeister Hilfen gibt.

In meinen Exerzitien beginnen wir frühmorgens den Tag mit einem halbstündigen Gebet. Der Vormittag ist dann von einem ersten geistlichen Vortrag zu einer Schriftstelle geprägt. Vor dem Mittagessen feiern wir gemeinsam Hl. Messe. Nach einer mittäglichen Ruhepause gibt es am Nachmittag häufig das Angebot gemeinsamen Singens (was den Teilnehmenden in der Regel viel Freude bereitet) und einen zweiten Impulsvortrag, der gelegentlich am Abend in einen intensiven Gruppenaustausch mündet. Den Tag beschließt eine Stunde Anbetung vor dem Allerheiligsten.

In Einzelexerzitien, an denen bei mir höchstens zehn Personen teilnehmen können, fallen die Vorträge weg; an ihre Stelle treten tägliche Gespräche mit dem Exerzitanden, in denen dem nachgegangen wird, was ihn bewegt, berührt, bestimmt, ablenkt oder tröstet und erfüllt, um daraus den Willen Gottes zu erspüren. Ansonsten läuft der Tag ähnlich ab wie bei Vortragsexerzitien. Für Menschen, die wenig über unseren Glauben und die Hl. Schrift wissen, können Vortragsexerzitien von größerem Gewinn sein.

Wer kann an Exerzitien teilnehmen? Grundsätzlich jeder Suchende, der mit Verstand und Vernunft sich einordnet und mitmacht. Es ist keine Konfession vorausgesetzt. Wenn der Exerzitienleiter kein Priester ist, wird er/sie einen solchen suchen, um die Hl. Messe mit seiner Gruppe mitfeiern zu können. Die Eucharistie kann zu einer Quelle tiefer Erfahrung Gottes werden. Ich hatte unter Exerzitienteilnehmern (in Estland) auch solche, die nicht getauft waren und von Gott und Glauben nichts wussten. Sie haben, nach ausreichender Erklärung, an der Heiligen Messe und der nächtlichen Anbetung teilgenommen – mit großem Gewinn! Der Exerzitienmeister darf niemals sich selbst in den Vordergrund stellen oder seine Begleitung zu Manipulationen nutzen, er ist wirklich nur Begleiter, der gemeinsam mit dem Exerzitanten auf den Willen Gottes horcht; dieser führt bisweilen über gewöhnliche Wege hinaus, wie man es an vielen Momenten in Jesu Leben deutlich erkennen kann.

Ignatianische Exerzitien finden immer im Stillschweigen statt. Dieses Schweigen gilt für Tag und Nacht. Es hat weniger die Bedeutung, nicht zu reden, sondern vielmehr den Sinn, einen Raum zu schaffen, in dem ich zuerst mit Gott, meinem Schöpfer und Herrn allein bin, mit Ihm in ständigem Gespräch. Es ist wie eine Glasglocke: Ich sehe alles, aber ich bin allein in der Welt Gottes. Dieses gemeinsame Schweigen der Gruppe führt gewöhnlich zu einer überraschenden Erfahrung von Einheit und Gemeinschaft.

 

Copyright: Mediathek Haus Werdenfels. Adresse: Exerzitien- und Bildungshaus Werdenfels, Waldweg 15, 93152 Nittendorf, Tel. 09404-9502-0, buero@haus-werdenfels.de

Was nehme ich am Ende mit?

Wer sich zu einem Exerzitienkurs angemeldet hat, sollte sich eine Woche zuvor auf diese Tage in passender Weise einstellen (vielleicht auch dem Exerzitienmeister sich schriftlich vorstellen), indem er etwa des Öfteren daran denkt, bald mehr Zeit für Gott, für sich selbst zu haben; oder man liest ein gutes geistliches Buch; oder man fragt sich sehr ehrlich, warum gehe ich da hin? Was suche ich dort? Was will ich klären? Mitbringen sollte man auf jeden Fall seine Bibel und ein Heft zum Mitschreiben.

Häuser, die Exerzitien anbieten, brauchen gewöhnlich ein Thema für die Ausschreibung. Aber das eigentliche Thema von Exerzitien ist immer der Teilnehmende selber: Er/Sie ist das Thema, ihn/sie will Gott mehr zu sich hin ziehen, umwandeln und gewinnen durch Einsicht und Erfahrung für das Reich Gottes und die Erneuerung unserer Erde als Mitarbeiter Gottes. Denn Gott ist für den Menschen da, für die Erde, für die Armen und die Reichen, die Suchenden und die Hoffnungslosen über jeden Tod hinaus.

Exerzitien, wenn man sie richtig macht, enden nicht am Schlusstag. Eigentlich beginnen sie dann noch einmal, weil es jetzt darum geht, das, was ich innerlich erkannt, empfunden, entschieden habe, in die Tat umzusetzen. Dazu sollte man sich keine großartigen Vorsätze machen (die man höchstwahrscheinlich nicht einhalten kann), sondern sich eher kleine, sehr kleine Hilfen geben, die man morgens, mittags und abends gewiss einhalten kann, um in der Ordnung auf Christus hin treu zu bleiben, die man sich vorgenommen hat.